Günther Uecker

© Lothar Wolleh Estate, Berlin / Foto: Lothar Wolleh

Der in Mecklenburg geborene Günther Uecker wendete sich bereits früh gegen die in den 1950er-Jahren vorherrschenden Kunstströmungen des sozialistischen Realismus in der DDR und des Informel im Westen. Haptisch-strukturierte, monochrome Farbflächen dominieren diese frühen Arbeiten bis zur Entdeckung des Nagels als bildnerisches Element. Der Nagel war für ihn aber nie nur ein Strukturelement, er weist ihm auch einen Symbolwert als aggressives und verletzendes Objekt zu.

Der Begriff der Struktur wurde richtungsweisend für Ueckers weiteres Œuvre. Seit 1957 stellte er mit Otto Piene und Heinz Mack aus, trat der Gruppe ZERO bei und war bis 1966 deren Mitglied. Es entstehen Licht-Raum-Strukturen wie die Lichtmodulationen (1960), die anfangs rein auf Wahrnehmungsbewegungen beschränkt waren. Nach 1960 und mit Intensivierung der ZERO-Aktivitäten entstanden diese auch mit mechanischen Antrieben.

Als wesentliche Bezugspunkte und Impulsgeber lassen sich Władysław Strzemiński, der Suprematismus eines Kasimir Malewitsch, aber auch László Moholy-Nagy und das Bauhaus benennen. Auch der Zen-Buddhismus beginnt Anfang der 1950er-Jahre sein Leben zu gestalten und zu beeinflussen. „Uecker lässt sich tatsächlich phänomenologisch allein nicht beschreiben. Weiß, realer Raum (Fontana), Leere (Yves Klein) sind für Uecker nicht nur ästhetische Anschauungs-, sondern auch Meditationsformen, Voraussetzungen einer neuen Humanität, Zonen, welche die Vorbedingung dafür sind, neue Impulse in sich aufzunehmen und auch zu provozieren. ‚Das Weiß wurde von allen bekennenden Monisten (uns bekannt als Mönche) in verschiedenen Kulturen als absolute Seinserfahrung angestrebt, wo sich Grenzen zwischen Sein und Nichtsein verwischen und ein neues Dasein auftauchtʼ (Uecker 1961). Diese völlige Übereinstimmung von Denk-, Empfindungs- und Vorstellungsformen bei Uecker, diese Fähigkeit, die er seiner intensiven Beschäftigung mit dem Zen-Buddhismus verdankt, sich nicht in Gegensatz zu, sondern als Teil von etwas zu empfinden, verleiht seinen Werken einen transzendentalen Aspekt.“1

Schwarzraum - Weißraum wird in der Ausstellung als digitalisierter Videofilm gezeigt, der in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Lothar Wolleh im Museum Folkwang Essen entstanden ist. Das Projekt geht auf Ueckers Beitrag für die Biennale in Venedig 1970 zurück, wo er eine Art Bilanz seines bisherigen Schaffens zieht. Es ging ihm nicht mehr nur um das Wandbild, sondern er wollte in den Raum und die Raumarchitektur vordringen. Die Performance Schwarzraum-Weißraum konnte dank der Essener Videoabteilung durchgeführt und aufgezeichnet werden. Der Künstler wollte einen malerischen Raum entwickeln, in dem er eine malerische Handlung auf Video aufzeichnen konnte. Uecker setzte sich – schwarz angestrichen – in einen 3 x 3 x 3 Meter großen, schwarz ausgemalten Kubus auf einen schwarzen Stuhl vor einen schwarzen Tisch. Einzig das Weiß seiner Augen leuchtete. Der Anblick erschreckte die zahlreichen Besucherinnen und Besucher, die sich einfanden. Über eine Schnur, die er mit einem Nagel auf dem Tisch befestigte, führte er dann weiße Farbe in den Kubus und begann den Raum und sich selbst mit einem Pinselquast aus- und anzumalen. Der Malduktus war deutlich nachzuvollziehen. Weiß getüncht fanden ihn die Zuschauerinnen und Zuschauer in der gleichen stoischen Haltung wie zuvor – auf seinem Stuhl, aber weiß und somit sichtbar.2

Anke Hervol

 

1 Dieter Honisch, Günther Uecker, 1970, in: Ders., Texte, Stuttgart 1992, S. 338.
2 Vgl. Dieter Honisch, in: Alexander Tolnay (Hg.), Günther Uecker (Ausst.-Kat. Neuer Berliner Kunstverein), Ostfildern 2005, S. 88.

 

In der Ausstellung:

Günther Uecker
Lichtmodulationen, 1960
Korken auf Leinwand, gestrichen
99 × 98,5 × 4,5 cm
Kunstpalast, Düsseldorf

Günther Uecker / Lothar Wolleh
Schwarzraum – Weißraum, 1975
Dokumentation der Performance, digitalisiertes Video
Günther Uecker / Lothar Wolleh Raum

 

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