Olafur Eliasson

Almost Perfect Circles ist Teil einer Reihe einzigartiger Versuche des Künstlers, einen perfekten Kreis freihändig zu umranden. Die handgezeichneten Linien reichen von dem Kreis ähnlichen Formen bis hin zu länglichen Ellipsen. Die einzelnen Linien verjüngen sich von dick zu dünn und zeugen so vom unterschiedlichen Druck der Künstlerhand auf. Die Zeichnungen zelebrieren das Unvollkommene, Unvollständige und Ungewisse und evozieren Minimalismus, Naturphänomene und meditative Praxis. Der Kreis, der in Eliassons Werken immer wieder auftaucht – von eng skalierten Zeichnungen und Aquarellen bis hin zu großformatigen, ortsspezifischen Installationen – bezieht sich auf buddhistische Interpretationen von Erleuchtung, Stärke, Eleganz und dem Universum. 

„Die bei weitem radikalste Form der Abstraktion ist die Monochromie. Durch Reduktion des Kunstwerkes auf eine einzige Farbe wird jegliches – selbst kompositorisches – Narrativ eliminiert. Dadurch lässt sich die Aufmerksamkeit nicht nur auf den monochromen Gegenstand vor den Augen der Betrachter lenken, sondern auf die Bedingungen, unter denen sich ihre Erfahrung vollzieht, auf die peripheren Reize und den Lärm ringsum, auf ihren emotionalen Zustand in dem Augenblick, in dem sie dem Werk begegnen, und auf das Wesen der Wahrnehmung selbst. Nicht die Monochromie – die Abstraktion – ist das Thema, sondern die menschliche Wahrnehmung und Erfahrung, die zugleich abstrakt und sehr unmittelbar sind.
Obwohl die Monochromie häufig eine Aura der Exklusivität umgibt – sie gilt als hermetisch, verschlossen, ja mystisch (man denke an Kasimir Malewitsch) –, geht es dabei für mich eher um Inklusion. Sie kann offen und gastfreundlich sein, wenn wir uns auf sie einlassen. Das „mono-“ in monochrom bedeutet nicht, dass Komplexität eliminiert wird; vielmehr bringt der monochrome Raum Pluralität in sich – er steht der Multidimensionalität offen und bietet sie uns als Betrachtern an. Eine bestimmte Art von Kunst scheint uns zu sagen, was wir denken sollen, und das vermittelt uns möglicherweise ein Gefühl der Unzugänglichkeit, ein Gefühl nicht ins Bild zu passen. Oder sie ignoriert uns einfach. Andere Kunstwerke sprechen uns dagegen als Subjekt an, fordern uns auf, aktiv zu werden und unsere eigenen Erfahrungen zu machen. Die Monochromie gehört zu dieser Kategorie. Sie erlaubt uns, selbst zu bestimmen, wer wir sind, und Autor unserer eigenen Erfahrung zu sein.“1

Anke Hervol

 

1 Ólafur Elíasson, Dein monochromes Zuhören, in: Lelia Packer und Jennifer Sliwka (Hg.), Black & White. Von Dürer bis Eliasson, Museum Kunstpalast, Düsseldorf in Zusammenarbeit mit der National Gallery, London, München 2017, S. 209.

 

In der Ausstellung:

Ólafur Elíasson
Almost Perfect Circle, 2016 (12 St.)
Grafit auf Papier
62 x 47 cm
Courtesy of the artist + Neugerriemschneider, Berlin

 

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