Oskar Holweck

Biegen, Knicken, Knüllen, Falten, Drücken, Pressen, Strecken, Ritzen, Reißen, Schlitzen, Schneiden, Sägen, Sengen, Brennen – mit variierenden Techniken widmete sich der Künstler Oskar Holweck sein gesamtes künstlerisches Schaffen einem Material: industriell hergestelltes, weißes Papier. Mit der Konzentration eines Wissenschaftlers, der eher forscht als erfindet, untersuchte er in seriellen Wiederholungen die Elementarvorgänge künstlerischer Arbeit und die Wesenseigenschaften seines Mediums. Holweck verinnerlichte die Prinzipien des Lehrers und Bauhausmeisters Josef Albers, der seine Studierenden im Rahmen sogenannter „Materieübungen“ mit Papier experimentieren ließ. Unter Ausschluss von Klebstoffen, sollten sie Papierobjekte durch Faltungen und Schnitte entwickeln. Als Holweck 1956 die Klasse der Grundlehre an der Werkkunstschule in Saarbrücken übernahm, knüpfte er an die Prinzipien von Albers an und übersetzte die Bauhaus-Lehre in die Situation seiner Gegenwart, die auch sein eigenes künstlerisches Werk prägt. Ab 1958 war Holweck Mitglied der von Heinz Mack und Otto Piene gegründeten Gruppe ZERO und untersuchte die Wirkung von Licht auf seinen relierfierten Papieroberflächen und geschichteten Buchobjekten, um so, wie er es nannte, die „Farbigkeit des Weißen zu zeigen“1. Schon in den Arbeiten der 1950er-Jahre entwickelte er ein datumsartiges System seiner Bildtitel, die Zeitlichkeit und Situation fixieren sollen. Das 1969 zu einem geometrischen Raster gefaltete Papierrelief 30 VIII 69/10 verweist als seismografische Aufzeichnung somit auch auf die hygroskopischen Bedingungen seiner Entstehungszeit.

Ulrike Pennewitz

 

1 Oskar Holweck im Interview mit Thomas Röske, in: Papier = Kunst (Ausst.-Kat. Neuer Kunstverein Aschaffenburg), Aschaffenburg 1991, S. 62.

 

In der Ausstellung:

Oskar Holweck
30 VIII 69/10, 1969
Papier gefaltet
70 x 99 cm
Private Sammlung