Isaac Julien

Issac Julien, der 2001 mit dem renommierten Turner Prize ausgezeichnet wurde, begann 1996 mit Videoinstallationen zu arbeiten. Zuvor gehörte er nach dem Abschluss an der Central St. Martins School of Art 1984 einer Gruppe von jungen Filmemacherinnen und Filmemachern an, die ihre Filmproduktionen im Sankofa Film and Video Collective realisierten. Seine Videoinstallationen verweisen auf seine malerischen Wurzeln: Indem er bildnerische Bezüge zu Historiengemälden, Museen, historischen Schauplätzen herstellt und Visualisierungen als tableaux vivants auftreten lässt, schafft Isaac Julien neue Formen des filmischen Ausdrucks. Seine Bilder scheinen geradezu bewegungslos, in seinen unabgeschlossenen Erzählformen findet er neue Lesarten für Identitätspolitik und postkoloniale Geschichte/n.

Die 3-Kanal-Videoinstallation The True North basiert auf den Schriften des in Maryland geborenen Polarreisenden Matthew Henson (1866–1955). Als erster afroamerikanischer Forscher 1909 war er Mitglied der legendären Expedition von Robert Peary zum Nordpol. Isaac Julien rückt Henson auf den ihm gebührenden Platz in den Schilderungen der Polarreisen und evoziert mit The True North in für ihn charakteristischer Weise, wie sich Geschichte in viele Richtungen in einer nahtlosen Verbindung von Fakten und Fiktion verzweigt. So verleiht mit einer Geschlechterverschiebung – die Schauspielerin und Tänzerin Vanessa Myrie stellt Matthew Henson dar – der Erzählung eine weitere Nuance. Die spektakulären, unendlich eisigen Drehorte in Nordschweden und Island werden als weiße Schneelandschaft selbst zentrale Akteure: Sie sind Schauplatz für die Suche des Menschen nach neuen Eroberungen, ein Ort des Kampfes mit der Natur, aber auch mit den eigenen Grenzen. The True North ist ein visuelles Drama in meditativen und reflektierenden Bildern. „Es ist gewiss kein Zufall, dass das Verspielte, das Überbordende und die Überraschungsmomente von Juliens Videoinstallationen mit ihren Anklängen an die frühen Stummfilme und mit einer konzeptuellen Verwendung des Kaleidoskop-Effekts einhergehen. Diese beiden Formen des Umgangs mit Vielfalt erweisen sich nicht nur als besonders wirkungsvolles Mittel des visuellen Ausdrucks, sondern besitzen auch ein beachtliches metaphorisches und historisches Gewicht.“1

Anke Hervol

 

1 Ernest Larsen, Queering Bachtin. Über die Filminstallationen von Isaac Julien, übers. von Christoph Hollender, in: Texte zur Kunst, 43 (2001), S. 7686, hier S. 86.

 

In der Ausstellung:

Isaac Julien
The True North, 2004
3-Kanal-Videoinstallation, 16-mm-Film, Schwarz-weiß/Farbe, auf DVD mit 5.1 surround sound
4:3, 14:20 min 
Julia Stoschek Collection

 

Weiterführende Informationen zum Künstler