Stephan Huber

Der Künstler Stephan Huber nennt sich selbst einen modernen Allegoriker aus dem Geist des süddeutschen Barocks und des lateinischen Katholizismus mit einer prononcierten Vorliebe für den belgischen Surrealismus. Seine symbolhaften und mitunter ironischen Skulpturen, Installationen, Foto-Inszenierungen und Kartografien knüpfen Verbindungen zu den Großthemen europäischer Kunstgeschichte und Philosophie, die der Künstler reflektiert, kommentiert und künstlerisch erweitert. Ikonisch ist Hubers „absolut perfekte, griechisch weiße, unantastbare, leuchtend heroische“1 Skulptur Perfect Sculpture, die an ein miniaturisiertes Felsmassiv denken lässt und die romantische Pathosformel des Erhabenen aufruft. Ihre weißen Flächen, Faltungen, Spitzen und Krater treiben jene Spannungen von Außen und Innen, Volumen und Leere, Farbe und Nicht-Farbe unaufhörlich fort, die sie zum Sinnbild für den sich im bleibenden Werden befindenden, schöpferischen Prozess machen. Hubers wiederholt umgesetztes Motiv des Miniaturbergs ist das topografisch reale Porträt eines Gipfels im Engadin. Es repräsentiert jedoch keinen Ausschnitt der Welt oder eine Übertragung des Natürlichen ins Künstlerische, sondern spielt eher auf jene endlos sich fortsetzende barocke Rätselkategorie der Monade an, die Gilles Deleuze als „die Autonomie des Inneren, eines Inneren ohne Außen“2 beschreibt und die Huber auf die Hermetik des Kunstraums überträgt. In einen solchen monadischen, inflexiven und als Kulisse verkleinerten Raum platziert Huber das Modell seines Elternhauses in der Fotoserie Shining. Verkapselte Kindheitserinnerungen und Traumsequenzen werden aufgerufen. Shining, dessen Titel an Stanley Kubricks symbolreich überformte, labyrinthische Verfilmung von Stephen Kings Horrorklassiker anspielt, erzeugt die somatische Beklemmung von Verdrängtem, das im Unbewussten der Seele diffus und formlos vor sich hin schwelt.        

Ulrike Pennewitz

 

1 Stephan Huber, Die traditionelle Form mit neuem Inhalt füllen. Ein Gespräch von Jolanda Drexler, in: Kunstforum International, Bd. 244 (2017), S. 238–247.
2 Gilles Deleuze, Die Falte. Leibnitz und der Barock, Frankfurt am Main 2000, S. 50.

 

In der Ausstellung:

Stephan Huber
Perfect Sculpture (Antelao), 2002
Dentalgips, Rupfen, Aluminium; Sockel: Stahl lackiert
78 x 110 x 110 cm
Courtesy of the artist

 

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