Hanns Schimansky

© Foto: Inge Zimmermann 2011

Linien, Faltungen und vage Formen manifestieren sich im Werk des Zeichners Hanns Schimansky zu Antipoden der gestischen Aktion, dem andienenden Illusionismus oder der symbolischen Deutung. Mit Beharrlichkeit müssen sich die Betrachtenden in seine zischelnden Linien, summenden Flächen und raschelnden Knicke begeben, um mit den Augen einem leise vorgetragenen, wortlosen Flüstern über die Zeit zu folgen, als eine, wie Immanuel Kant scheibt, ins „Unendliche fortgehende Linie […], in welcher das Mannigfaltige eine Reihe ausmacht, die nur von einer Dimension ist“ (KrV A 60 / B 84).1 Dieses Flüstern nimmt Schimansky Mitte der 1980er-Jahre auf und bricht mit der Darstellung der Dinge, die bis dahin sein zeichnerisches Schaffen prägt. Seine Konzentration gilt jetzt den Horizontalen, Vertikalen, Schlangen, Strichen, Kringeln, Kreisen, Zacken, Flächenumrissen und Punkten, die Oberflächen von Papieren als Zonen des Sichtbaren passieren. Wie Robert Kudielka schreibt, habe Schimansky aus dem Verdacht heraus, „dass die der Aufmerksamkeit zugewandte Seite einer Arbeit vielleicht nicht die richtige, jedenfalls nicht die einzige beachtenswerte ist“ nach 1990 mit eingeklappten Rändern und schließlich mit regelmäßigen, geometrischen Faltungen experimentiert und die Linien als „leibhafte Dinge, mit Gesicht und Rücken und einem individuellen Maß an Belastbarkeit“2 zu begreifen begonnen. Belastungsproben finden in seinem Werk zunehmend auch auf farbigen Untergründen oder Flächen statt, die Schimanskys Linienspaziergänge malerisch unterwandern, um nun mehrstimmig das Flüstern fortzuführen.

Ulrike Pennewitz

 

1 Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft (1781), hg. von Jens Timmermann, Hamburg 1998, S. 108.
2 Robert Kudielka, Explicatio – Complicatio. Zu den Faltungen von Hanns Schimansky, in: Hanns Schimansky. quellenfeld (Ausst.-Kat. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe), Ostfildern 2003, S. 64–69, hier S. 65.

 

In der Ausstellung:

Hanns Schimansky
Zweifarbige Faltung (Blau/Weiß), 2006
Faltung, Tusche, Gouache 93 × 144 cm
Courtesy of the artist

 

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