Jan J. Schoonhoven

Zero zielt nicht auf Geometrie ab. Dies sollte schon an sich deutlich sein, wird aber unmissverständlich, wenn man Produkte von Zero mit wirklich geometrischen Dingen vergleicht. Selbstverständlich spielt die Geometrie eine Rolle in der Kunst von Zero, nur eben keine Hauptrolle. Zero will keine geometrische Aktion. Geometrie dient einzig als Mittel, Bedeutung herzustellen. Die geometrische Relation geht bei Zero aus der Wiederholung, der Reihung hervor. Diese Ordnung beruht auf dem Fehlen einer Präferenz. Das Fehlen der Präferenz, in den Kunstprodukten Orte und Punkte festzulegen, das Fehlen einer bestimmten Betonung, dies ist ein Grundprinzip von Zero und Grundvoraussetzung, um Wirklichkeit zu isolieren. Dies erklärt, warum der geometrische Aspekt außerordentlich einfach bleibt. Er beschränkt sich auf die Organisation meist unkomplizierter Formen, die wirklich und aus der Wirklichkeit abgeleitet sind. Zero bringt zuallererst ein neues Verständnis der Wirklichkeit, demzufolge der Individualismus des Künstlers auf ein Minimum reduziert ist. Der Zero-Künstler beschränkt sich darauf, zu wählen, Stücke der Wirklichkeit (der materiellen Wirklichkeit ebenso wie abgeleiteter Ideen der Wirklichkeit) herauszulösen und auf möglichst unbeteiligte Art und Weise zu präsentieren. Störende persönliche Gefühle auszuschließen ist ein Grundprinzip von Zero. Zero akzeptiert die Dinge, wie sie sind, ohne sie aus künstlichen Gründen zu verändern und Korrekturen nur vorzunehmen um die Wirklichkeit stärker in Erscheinung treten zu lassen. Korrekturen dienen ausschließlich dazu, Stücke der Wirklichkeit herauszulösen und zu konzentrieren. Zeit und Raum sind praktisch gleichbedeutend. Die Wiederholung eines Motivs, eines Dings, eines Objekts, eines Stücks herausgelöster Wirklichkeit enthält neben Rhythmus und Zeit auch den von der Wiederholung hervorgebrachten Eindruck, dass die Zeit knapp ist. Dieser aus der Reihung resultierende Gegensatz nimmt trotz der Monotonie die größtmögliche unterschwellige Spannung an. Zero sieht davon ab, die Aufmerksamkeit ausdrücklich auf diese Tatsache zu lenken, nimmt sie aber als irritierendes Element der Wirklichkeit hin. Die Essenz der Wirklichkeit zu präsentieren ist das Hauptziel von Zero. Die Wirklichkeit von Materialien, von konkreten Dingen in isolierter Klarheit. Zeros Methode wird durch ihren Ausgangspunkt bestimmt. Zero verfolgt nicht das Ziel, eine neue Form zu schaffen. Die Form wird von der konkreten Wirklichkeit vorgegeben. Zero verfolgt das Ziel, deduktiv die Wirklichkeit als Kunst zu etablieren. 

Jan J. Schoonhoven, Zero (1964), in: de nieuwe stijl. werk van de internationale avant-garde, 1, 1965, S. 175.

 

In der Ausstellung:

Jan J. Schoonhoven
R 74-16, 1974
Pappe, Papier und Latexfarbe auf Holz
118 × 118 × 5 cm
Private Sammlung

 

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