George Brecht

Der studierte Chemiker und Erfinder von Hygieneartikeln George Brecht wollte mit seiner Kunst sicherstellen, dass „die Details des täglichen Lebens, die zufälligen Konstellationen von Objekten, die uns umgeben, endlich aufhören, unbemerkt zu bleiben.“1 Nach dem Ende seiner Karriere in der Pharmaindustrie besuchte Brecht 1958/59 John Cages Kurs “Experimental Composition” an der New York School for Social Research und entwickelte die Konzeption der „Events“, die zu seinem zentralen Fluxus-Konzept avancierten. Zufällige Geräuschfunde auf der Straße gaben Brecht Anlass zu Partituren und Handlungsanweisungen, die er 1963 mit George Maciunas und Tomas Schmit in seinem legendären Künstlerbuch Water Yam umsetzte. Ende der 1960er-Jahre zog Brecht nach Nizza, schloss sich der europäischen Fluxus-Bewegung an und übersetzte das Xinxin Ming, das erste überlieferte Zen-Lehrgedicht des chinesischen Poeten Sengcan. Im Jahr 1972 ging Brecht nach Köln und stellte auf der „documenta 5“ in Kassel aus. In dieser Zeit publizierte er sein „Leerbuch“ BOOK, das direkten Bezug auf die Konzepte des Zen nimmt. In dem Versuch, einen blinden Fleck der Gegenstandwahrnehmung zu fokussieren, führt Brecht das Objekt des Buchkörpers und seine Elemente wie Buchdeckel, Vorsatzpapier, die einzelnen Seiten und Impressum mit schriftlichen Kommentaren vor. Der deiktische Verweis auf die Funktionselemente ist auch das Thema von drei Leinwänden, die im selben Jahr entstanden. Mit aufgeklebten Kommentaren wird auf die Ecke und die Oberfläche hingewiesen sowie eine für Brechts Werk typische Kurzform imperativer Handlungsanweisungen „Steal me“ (Stiehl mich) platziert.

Ulrike Pennewitz

 

1 George Brecht, zit. nach Ken Johnson, George Brecht, 82, Fluxus Conceptual Artist, Is Dead, in: The New York Times (15.12.2008).

 

In der Ausstellung:

George Brecht
Corner, 1972
Front, 1972
Steal me, 1972
Grundierte Leinwand mit aufgeklebten Buchstaben
Je 80 x 80 cm
Galerie Michael Werner, Märkisch Wilmersdorf, Köln, New York