John Cage

Am Abend des 29. August 1952 betrat der Pianist David Tudor die Bühne der kleinen Maverick Concert Hall, nahe Woodstock, und platzierte sich am Steinway Flügel. Das Stück des amerikanischen Komponisten John Cage, das er interpretieren sollte, besteht aus drei Sätzen, die alle „Tacet“ überschrieben waren. Titel und Dauer des Stückes sind mit 4 Minuten 33 Sekunden beschrieben. Der Pianist David Tudor spielte bei der Uraufführung die Länge der Sätze mit dem Würfel aus und nutzte eine Stoppuhr: 1. Satz zu 33 Sekunden – 2. Satz zu zwei Minuten 40 Sekunden  – 3. Satz zu einer Minute und 20 Sekunden. Der Pianist klappte wie bei jedem üblichen Konzert den Flügel zu Beginn auf und am Ende leise zu. Es existiert leider keine Aufzeichnung von der Uraufführung. Diese erste Aufführung von John Cages Werk 4ʼ33ˮ erzeugte Irritationen, Wut, Tuscheleien und letztendlich einen Skandal, obwohl das Publikum an diesem Abend zum Benefit Artist Welfare Fund (Wohlfahrts-Fond für Künstler) geladen war – also ein Publikum, das die moderne Kunst förderte.
Laut Cage musste die Stille neu definiert werden, um als Konzept auch weiterhin eine Bedeutung zu haben. Er erkannte, dass es keine objektive Trennung zwischen Geräusch und Stille gab, sondern nur zwischen der Absicht, etwas zu hören, und der, sich in seiner Aufmerksamkeit von Geräuschen ablenken zu lassen. Für den Komponisten bestand die essentielle Bedeutung von Stille darin, dass man den Vorsatz gänzlich aufgibt. Diese Vorstellung stellte den wichtigsten Wendepunkt in seiner Philosophie als Komponist dar. Er definierte die Stille ganz einfach in die Abwesenheit von beabsichtigten Geräuschen beziehungsweise in das Abschalten unseres Bewusstseins um.
Zahlreiche und Künstlerinnen und Künstler reagierten bis heute auf diese radikale Komposition. Im Jahr 2004 wurde 4ʼ33ˮ sogar zum ersten Mal in einer Fassung für Sinfonieorchester live im Hörfunkprogramm der BBC übertragen. Dazu mussten das Studio sogar das Notfallsystem des Senders deaktivieren, dass bei Funkstille automatisch anspringt und eine Meldung verliest. 

Anke Hervol

 

In der Ausstellung:

John Cage        
4’33ˮ (Originalfassung in proportionaler Notation)
Partitur
1952    
Edition Peters EP6777A, 16.8.2002

John Cage, Partitur der Neufassung 4’33” zur Eröffnung Ausstellung „Kölns Weg zur Kunstmetropole – die 1960er-Jahre“, 31.8.1986, Gästebuch Wulf Herzogenrath N° 10, Seite 12
John Cage, 8.7.1990, Gästebuch Wulf Herzogenrath N° 13, Seite 4
Privatsammlung

 

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