Max Dax

 

Das von Richard Hamilton als weiße Projektionsfläche gestaltete White Album der Beatles steht dem als Selbstermächtigung zu begreifenden, als schwarzes Quadrat gestalteten Black Album von Prince gegenüber. Während das White Album millionenfach verkauft wurde und von Hamilton als Kommentar zum Massenprodukt mit einer eingeprägten, fortlaufenden Nummer versehen worden war, die den Status des Unikats behauptete, verhält es sich bei Prince genau umgekehrt: Hier zog der Künstler seine Musik und den Tonträger wenige Tage vor dessen Auslieferungsdatum, dem 8. Dezember 1987, zurück. Hunderttausende Vinylalben wurden zerstört, nur etwa 100 Exemplare gelangten versehentlich als Rezensionsexemplare in Umlauf – sie sind tatsächlich Unikate im Vergleich zum White Album der Beatles. 

Beide Covers haben ihre ikonischen Vorbilder in der Malerei – das schwarze Quadrat von Malewitsch und die weißen Quadrate von Robert Ryman. 2007 begann der US-amerikanische Konzeptkünstler Rutherford Chang, alle Exemplare des White Albums zu kaufen, derer er auf Flohmärkten und in Second-Hand-Läden habhaft werden konnte. In immer größeren, an einen Schallplattenladen erinnernden Rauminstallationen stellt Chang seit 2012 seine bis heute auf 2.620 Exemplare angewachsene Sammlung von Kopien des White Albums aus. Aufgrund von Benutzungsspuren, aber auch Wasserschäden oder „Verzierungen“ sieht kein weißes Quadrat aus wie das andere. Sie sind alle individuell gealtert.

100 Farben Weiß: Während die verschiedenen Weißabstufungen in Rutherford Changs Installation We Buy White Albums genau einhundert Mal wie in einem Plattenladen ausgestellt sind, wird das Black Album von Prince, das in der Sammlerwelt der Musik den Status des Heiligen Grals besitzt, von einer einbruchsicheren Vitrine geschützt. Mehr noch: Die Vitrine steht auf einem Sockel, um den herum ein mattschwarzer Kubus gebaut ist, der an den Pilgerort Mekka erinnert, während das Innere dieses Kubus, weiß gestrichen, die ideale Präsentationsform für Kunst, die in Galerien zum Verkauf angeboten wird, der White Cube ist. In der Blickachse Eingang/Sicherheitsvitrine hängt schließlich die Arbeit Judas! I don’t believe you / You are a liar! von Michael Schirner an der Stirnwand des White Cubes. Es handelt sich um die erste Erweiterung von Schirners Serie PICTURES IN OUR MINDS in die Dimension der Musik. Bis zu der von Max Dax kuratierten Ausstellung „Black Album / White Cube“ im Jahr 2020 in der Kunsthal Rotterdam beschränkten sich die Motive aus Michael Schirners PICTURES IN OUR MINDS auf Bilder, die sich tief in das kollektive Bewusstsein eingegraben haben: der Fußabdruck des ersten Menschen auf dem Mond, die brennenden Twin Towers, Willy Brandts Kniefall in Warschau etc. – in Form eines schwarzen Quadrats, auf das in weißer Helvetica-Schrift eben das Weltereignis knapp beschrieben wird. Das Bild entsteht im Kopf des Betrachters. Bob Dylans berühmte Antwort auf die 1966 aus dem Publikum in Manchester gerufene Beleidigung „Judas!“ lautete „I don’t believe you / You are a liar!“ Mit seiner wütenden Reaktion verteidigte Dylan die eigene künstlerische Selbstermächtigung, als Musiker nicht automatisch Entertainer sein zu wollen.

Kunst führt appropriativ zu neuer Kunst. Dylans spontaner Wutausbruch ging in einer neuen Arbeit von Michael Schirner auf, ein gerettetes Originalexemplar des Black Album von Prince wird als Testament schwarzer Selbstermächtigung im Kontext des schwarz-weißen Kubus zum Denkmal, aber auch zum Malewitsch-Kommentar, das White Album der Beatles im Kontext von Rutherford Changs We Buy White Albums-Installation zur Meditation über die Einzigartigkeit von Massenprodukten und das Wesen von Projektionsflächen

Max Dax

 

In der Ausstellung:

Max Dax / Michael Schirner 
Installation Black Album / White Cube (2020) mit Black Album von Prince (1986) und PICTURES IN OUR MINDS: Judas! I Don’t believe You. You are a Liar! (2020) von Michael Schirner, Siebdruck auf Leinwand, 120 x 120 cm
Courtesy of the artist + Privatsammlung Hamburg