Mirosław Bałka

© Foto: Inge Zimmermann 2010

Man sieht, was man sieht, nämlich beinahe nichts oder eben nur ein Stück Wand, ihre Oberfläche ist etwas rau, hier und dort ein wenig verschmutzt. Eine Wand, mir der man schon eine Zeit lang gelebt hat. Dann und wann ändert sich das Licht auf ihr ein wenig; vielleicht ziehen draußen Wolken vorbei. Das, was aber wirklich auffällt, ist die unstete Bewegung dieses Bildes einer Wand. Der Blick auf die Fläche ist nicht fixiert, sondern gleitet ganz unregelmäßig mal etwas zur Seite, mal nach oben oder unten. Die Bewegung ist nicht ganz gezielt, sondern unwillkürlich: Der Arm, der die Kamera hält, ermüdet. Das träge Schwanken, das zögerliche Umherirren des Blicks wird noch verstärkt durch die Art der Projektion. Das Video erscheint deckungsgleich auf einer Wand, die frei im Raum steht. Die Verdoppelung und Überlagerung des Motivs rückt das Filmbild in den realen Raum hinein. Doch ist es weniger die Wand selbst, die zum Körper wird, als die körperliche Erfahrung des ununterbrochenen Starrens auf die Wand, die uns entgegentritt.

Der Blick auf die leere Wand könnte ein Ausdruck von Langeweile sein, das Bild einer Zeit, die einfach nur vergeht, die man totschlägt. Aber die Belanglosigkeit dieser Fläche, die Dummheit dieses Gegenstandes schaffen auch einen Freiraum für das Sehen, in dem es unweigerlich und ohne Vorhaben in eine Form des Denkens hinübergleitet, die vor oder nach ihm kommt, das Sinnen. Es ist nicht frei von Melancholie oder Vergeblichkeit, es ist eine gleichsam vegetative Form des Nachdenkens, eine Pause im willentlichen Teil des Lebens, eine Einfallsöffnung für neue Vorstellungen ebenso wie für die immer wieder gleichen Dinge, die einen nicht loslassen. Nicht von ungefähr erscheint The Wall in dieser Ausstellung […] neben BlueGasEyes: ein Nachwort, ein Resonanzraum, eine Befreiung?

Julian Heynen

 

In der Ausstellung:

Mirosław Bałka
The Wall, 2006
Sperrholz, DVD-Projektion, Loop, geräuschlos
210 × 280 cm
Video, 4:12 min
Courtesy of the artist + White Cube

 

Weiterführende Informationen zum Künstler