Hans Haacke

Der deutsche Konzeptkünstler Hans Haacke prägte eine aktivistische und kritische künstlerische Haltung, die sich bis heute auf ihr konkretes politisches, soziales und kulturelles Umfeld bezieht und den Dialog mit dem Betrachter herausfordert. In den 1960er-Jahren ist der Künstler nach New York übergesiedelt und beschäftigte sich mit der Entwicklung spezifischer Formen für prozessbasierte Kunstkonzepte und -produktion, die einen experimentellen und wissenschaftlichen Ansatz verfolgten. Er hatte das Ziel, physikalische, biologische oder gesellschaftliche Prozesse und Abhängigkeitsverhältnisse in Modellanordnungen zugänglich zu machen und die zugrundeliegenden Strukturen zu veranschaulichen. In diese Zeit fallen die Werke, die in der Ausstellung gezeigt werden: Condensation Cube (1963–1965) und Wide White Flow (1967/2021), eine Installation, die aus einem 4 x 7 Meter großen hauchdünnen weißen Seidenstoff besteht, der auf der einen Seite an den Ecken am Boden befestigt ist und auf der anderen Seite an der Wand. Der Stoff breitet sich wellenartig nahezu im gesamten Raumkompartiment aus. Die sanft fließenden Auf- und Abbewegungen des Stoffes werden von vier Ventilatoren verursacht. Wie bei dem Condensation Cube geht es um natürliche, fließende Systeme, die wie kleine Kosmen ihr Eigenleben führen, ihre Abhängigkeiten und Veränderungsprozesse durchleben. Bereits zuvor hatte er eine Reihe aus „Tröpfchen“-Kästen geschaffen, die jedoch von den Besuchenden in verschiedenen Abschnitten mit Wasser befüllt werden mussten. Der Würfel aus Plexiglas ist hermetisch abgeschlossen, hat im oberen Teil minimale Öffnungen für die anfängliche Wasserzufuhr und wurde am Boden mit zirka einem Zentimeter destilliertem Wasser aufgefüllt. Kondenswasser breitet sich im Inneren des Würfels aus und läuft in vertikalen Streifen auf den Seiten herunter. Dieser Prozess geschieht in Abhängigkeit von Temperatur, Licht, Luftströmungen und Anzahl der im Raum anwesenden Besucherinnen und Besucher, die das Raumklima mitbestimmen. Hans Haacke beteiligt die Anwesenden damit aktiv an einem physikalischen und kulturellen Phänomen.

Hans Haacke hat sich immer mit Systemen beschäftigt, als Provokateur, als Kritiker von Institutionen, Wirtschaft, Politik, wie auch in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit Weil sie nicht deutsch aussahen (2006), an der Fassade der Akademie der Künste am Pariser Platz, wo er an Menschen erinnerte, die aus rassistischen Motiven ermordet wurden. Der Bevölkerung (1999), für den Lichthof des Reichstagsgebäudes entstanden und innerhalb und außerhalb des Parlaments kontrovers diskutiert, ist als Spiel mit der Inschrift „Dem deutschen Volke“ gesetzt, die in Deutschland lebende Ausländer ausgrenzte. Seit 2003 läuft das Plakatprojekt Wir (alle) sind das Volk in Städten weltweit, ein Statement in 12 Sprachen, das sich auf den die friedliche Revolution 1989 bezieht.

Anke Hervol und Wulf Herzogenrath

 

In der Ausstellung:

Hans Haacke
Condensation Cube, 1963–65
Plexiglas und Wasser
46 × 46 × 46 cm
Privatsammlung

Hans Haacke
Wide White Flow, 1967–2021
Ventilator, Weiße Seide
400 × 700 cm
Courtesy of the artist

 

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